[Brenner bloggt] Das Beste aus 2013 – eine ganz subjektive Auswahl.

Bevor die Frühjahrs-Novitäten auf den Markt kommen, haben wir noch etwas Zeit für die besten Bücher aus dem vergangenen Jahr. Neben den von mir bereits begeistert besprochenen Titeln wären da:
lola BenskyLily Brett mit „Lola Bensky“, im November 2013 als Taschenbuch bei Suhrkamp erschienen (2012 gebunden ebenda). Dieses Buch ist die Quintessenz aus Lily Bretts bisherigen Romanen. Lola Bensky ist 19 Jahre alt, als sie für eine australische Musikzeitschrift die Pop- und Rockgrößen der Welt interviewt. Cher, Mick Jagger, Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison lernen wir von einer ganz neuen Seite kennen! Aber der Schwerpunkt des teils autobiografischen Romans liegt in der Entwicklung eines unsicheren, pummeligen, jüdischen Mädchens mit traumatisierten Eltern und einer schweren Vergangenheit zu einer (fast) selbstbewussten Frau, die mit sich im Reinen ist. Das Buch ist wunderschön, traurig und lustig und vor allem sehr rund, in sich geschlossen.
Lily Brett: Lola Bensky ///  Suhrkamp 2013 Taschenbuch  ///  9,99 Euro

lehaneDennis Lehane hat mit „In der Nacht“ ein fast vergessenes Genre mit neuem Leben gefüllt. Er entführt uns nach Amerika, in die Zeit der Prohibition, der Gangsterbanden, Schwarzbrenner und Schmuggler. Sein Protagonist ist ein junger Kleinkrimineller aus gutem Haus mit einer schwierigen Vaterbeziehung. Idealismus, Mut und Gerechtigkeitssinn machen seine Persönlichkeit aus. Im Laufe der Jahre steigt er zum größten und mächtigsten Rum-Schmuggler auf. Auf seinem Weg muss er eine harte Schule durchlaufen: Er liebt und leidet, gerät ins Gefängnis und beißt sich mit Härte und Ehrgeiz durch. Seinen Idealismus verliert er dabei immer mehr. In Lehanes Welt herrschen eiskalte Männer und schöne Frauen, Gewalt und Erotik. Ein sehr fesselndes Buch, das den Leser nicht mehr los lässt!
Dennis Lehane: In der Nacht ///  Diogenes 2013 gebunden ///  22.90 Euro

saufitDas wohl unterhaltsamste Sachbuch aus dem Jahr 2013 ist „Saufit“ von A.J. Jacobs. Der Autor berichtet über den Selbstversuch, innerhalb eines Jahres zum gesündesten Menschen zu werden. Er probiert alle heilbringenden Trends in Puncto Ernährung und Bewegung aus: Das Arbeiten im Stehen am Notebook, während die Füße auf dem Laufband gehen, ist nur eine von vielen Neuerungen in seinem Alltag! Die Mittel und Ratschläge, die er von Experten bekommt sind teilweise kurios und viele Heilsbotschaften widersprechen sich. Aber Jacobs lässt tapfer alles über sich ergehen und kommt, schlank und fit, zu dem richtigen Schluss: Die  gesündeste Lebensführung besteht ganz simpel aus einer guten Ernährung, regelmäßiger Bewegung und Entspannung. Sein „Ratgeber“ hat mir viel Spaß bereitet und mich inspiriert, mehr für mich und meine Gesundheit zu tun.
A.J. Jacobs: Saufit   Ullstein 2013 tb   11,99 Euro

Almuth Brenner

Almuth Brenner

Almuth Brenner, unsere frühere Abteilungsleiterin Belletristik, bloggt auf wiederholtem Kundenwunsch ihre Lesetipps.

Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer

070-bEin großartiger Roman von Alex Capus mit drei Helden wider Willen, die um 1900 geboren wurden und deren Leben in gänzlich andere Richtungen treibt als beabsichtigt. »Alex Capus ist ein herrlicher Schicksalsschreiber, der seine Figuren immer wieder mit dramaturgischer Finesse in das Weltgeschehen hineinwebt.« (Deutschland Radio)

Drei sehr unterschiedliche Personen, die sich im November 1924 im Bahnhof Zürich aufhielten und sich womöglich sogar begegneten, sind voller Pläne für die Zukunft. Die schöne und ehrgeizige Laura d’Oriano will Sängerin werden wie ihre Mutter, »aber eine bessere«. Als Künstlerin gescheitert, landet sie zunächst in einer biederen Ehe und wird  schließlich Spionin für die französische Resistance. Emile Gilliéron wird als begnadeter Zeichner, der mit Schliemann nach Troja reiste, nicht ernst genommen, entwickelt sich aber zum größten Kunstfälscher aller Zeiten. Felix Bloch, ein pazifistischer jüdischer Jüngling, der entsetzt war, »wie die Kriegsmaschine den Kontinent umpflügte« und sich zum Maschinenbaustudium entschließt, hilft in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Los Alamos beim Bau der Atombombe.

Alex Capus
Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer
Roman
288 Seiten, gebunden, € 19,90,
ISBN 978-3-446-24327-9
(Hanser)

Gabriel Roth: »Gleichung mit einer Unbekannten«

Roth_Gleichung mit einer UnbekanntenEric Muller gehörte schon in der Schule zu den Nerds, die sich in der Datenwelt wohlfühlen und Computerspiele entwickeln, aber sozial nichts drauf haben.

Anstelle eines Studiums (sein Vater verweigert ihm die finanzielle Unterstützung) gründet er mit einem Freund ein Start-Up: Sie entwickeln ein Programm zur Auswertung von Kundendaten für Online-Shops, welches sie nach wenigen Jahren für viel Geld verkaufen können.

Der nun reich gewordene Eric lernt Maya kennen, eine toughe Journalistin mit viel Feingefühl und großem Interesse an ihren Mitmenschen.

Es entwickelt sich eine innige Liebesbeziehung. Aber Erics Gefühle und seine sozialen Fähigkeiten kommen nach wie vor nicht aus seinem Herzen, sondern aus logischen Schlussfolgerungen, Beobachtungen und Erlerntem. Wie soll er da mit dem Problem von Maya umgehen, dass sie meint, ihr Vater habe sie als Kind missbraucht, sie könne sich aber nicht daran erinnern. Erich geht der Sache nach und trifft sich mit Mayas Vater.

Gabriel Roth ist eine anrührende und spannende Liebesgeschichte gelungen. Er analysiert humorvoll die gestörten Beziehungen zu uns selbst, zu unseren Vätern und Müttern und zu denen, die wir lieben und wirft viele Fragen auf: Wie kann es vollkommenes Vertrauen geben, wenn rationale Zweifel da sind? Ist mehr Verlass auf unser instinktives Gefühl oder auf unseren Verstand? Sehr unterhaltsam, sehr lesenswert!

Gabriel Roth: Gleichung mit einer Unbekannten“, Diogenes Verlag, 2013, 14,90 Euro

Almuth Brenner

Brenner bloggt bei Köndgen IV: Nachtwache mit „Vom Schlafen und Verschwinden“

Während der Nachtwache bei Köndgen in Barmen habe ich mir den neuen Roman von Katharina Hagena geschnappt und verschlungen. „Vom Schlafen und Verschwinden“ – welcher Titel würde besser zu zwei durchgemachten Nächten passen?!

Nach dem wunderschönen Roman „Der Geschmack von Apfelkernen“ hatte ich ein wenig Angst davor, von dem neuen Buch enttäuscht zu werden. Aber weit gefehlt! Katharina Hagena schreibt wieder über das Erinnern und  Vergessen. Und wieder macht sie das ganz großartig! Häufig spürt man die Joyce-Kennerin in den brillianten Sätzen, ihr Wortschatz ist riesig und sie weiß ihn einzusetzen.

Die Handlung ist vielschichtig: die Ärztin und Schlafforscherin Ellen liegt wach und erinnert sich an die Zeit, als ihre Mutter im Sterben lag und ihr Vater mit einem kleinen Chor gegen den Tod ansingen wollte. In dem Chor ist auch Marthe, die Fremde, grau und kranichgleich. Ihre Notizen bilden den zweiten Handlungsstrang. Diese Erzählweise macht den Roman unheimlich spannend, durch die Niederschriften von Marthe ahnt der Leser, dass etwas Unheilvolles geschehen wird. „Alles ist voller Zeichen“.

Ein sehr, sehr schönes Buch!

Almuth Brenner

Brenner bloggt bei Köndgen III – Anna Stothard: Pink Hotel

Mit großem Vergnügen habe ich „Pink Hotel“ gelesen: eine gelungene  Mixtur aus Entwicklungsgeschichte, Liebesroman und Krimi: In London bekommt ein 17-jähriges Mädchen einen Anruf aus Los Angeles, ihre Mutter Lily sei bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen. Diese Mutter hat sie nie gekannt und so macht sie sich neugierig auf den Weg nach L.A.. Dort gibt es einige Geheimnisse über das Leben und Sterben der schönen, charismatischen Lily zu lüften. Nichts an diesem Buch ist vorhersehbar, es gibt ungewöhnliche Figuren und Handlungsstränge und doch ist alles glaubhaft erzählt. Ein sehr schöner, bildhafter Roman, der Spaß macht. (Almuth Brenner)

Diogenes Verlag AG
August 2012 – kartoniert – 354 Seiten
14,90 €

NEU: Brenner bloggt bei Köndgen – Teil 1:

Almuth Brenner, unsere frühere Abteilungsleiterin Belletristik, bloggt auf wiederholtem Kundenwunsch ihre Lesetipps. Und das Schönste ist: für Bücher Köndgen auch exklusiv! Also, ab sofort Gutes und Spannendes hier entdecken. Wir starten mit Teil 1:

Was für ein Wortschatz, was für eine Fabulierkunst. Fast jeder Satz ist brilliant, ergötzt, macht süchtig! Wolfgang Herrndorf wird mit jedem Buch besser: „In Plüschgewittern“ liest sich gut, ist szenig. Dann „Tschick“, dieses brilliante Buch um zwei jugendliche Ausreißer, sehr witzig, sehr rührend und etwas lebensweise.

Und nun „Sand“ mit vielen detailliert gezeichneten Figuren, die beim Lesen sofort bildhaft werden wie Bekannte oder Nachbarn, die man mal gekannt hat. Die Handlung: Nordafrika im Jahre 1972. Ein durchschnittlich intelligenter Polizist gerät zwischen Spione und Agenten, die die Konstruktionspläne zum Bau einer Atombombe wiederbeschaffen sollen. Herrndorf entspinnt unglaubliche Handlungen, Aufeinandertreffen und Zufälle, er spielt mit dem Leser wie mit seinen Figuren und treibt den Showdown auf die Spitze und darüber hinaus.

Ein ganz großes unterhaltsames Buch!

© Almuth Brenner 2012

Siegfried Lenz: Schweigeminute

Stella Petersen war zweifellos eine der beliebtesten Lehrerinnen am Lessing-Gymnasium. Ihre Lebensfreude, ihre Intelligenz und Belesenheit verschafften ihr die Anerkennung und den natürlichen Respekt des Kollegiums wie den ihrer Schüler. Und gewiss führte die Liebe zu ihrem Schüler Christian, die über das ungleiche Paar am Ende der Sommerferien hereinbrach, zu jener Verwirrung der Gefühle, deren Intensität und Kraft beide überwältigt.

Siegfried Lenz hat eine grossartige Novelle geschrieben über die Liebe eines Gymnasiasten zu seiner Englischlehrerin, eine Geschichte über das Erwachsenwerden und das Erwachsensein, eine Geschichte, in der unbeschreibliches Glück neben tief empfundener Trauer steht.

Siegfried Lenz, 1926 im ostpreußischen Lyck geboren, zählt zu den bedeutendsten und meistgelesenen Schriftstellern der Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur. Seine Werke erscheinen seit 1951 (»Es waren Habichte in der Luft«) im Hoffmann und Campe Verlag und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zuletzt erschienen aus Anlass des 80. Geburtstages Lenz‘ sämtliche Erzählungen in einem Band (»Die Erzählungen«) und die autobiografische Essaysammlung »Selbstversetzung«.

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David Guterson: Ed King

Walter, der als Versicherungsmathematiker davon lebt, Risiken zu berechnen, geht das größte Risiko seines Lebens ein, als er sich von Diane, dem minderjährigen Au-pair der Familie, verführen lässt. Schwanger geworden, erpresst sie Walter und setzt das Baby aus, bevor sie ihr Glück als Escort in Portland versucht. Ihr Baby wird von einem kinderlosen wohlhabenden Ehepaar adoptiert und Edward King genannt, er ist hochbegabt und wird Internet-Tycoon, der »King of Search« – der sein schnelles Erfolgsleben auf ein Schicksal zulebt, das außerhalb seiner Macht steht.

In seinem neuen großen Roman erzählt der Autor von »Schnee, der auf Zedern fällt«, wie drei Menschen im Kampf um ihren amerikanischen Traum an der zerstörerischen Kraft der Leidenschaft scheitern.

David Guterson lebt mit seiner Frau und seinen Kindern auf Bainbridge Island im Puget Sound westlich von Seattle. Sein erster Roman „Schnee, der auf Zedern fällt“, für den er den Pen/Faulkner Award erhielt, machte ihn weltberühmt.

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Tony Judt: Das Chalet der Erinnerungen

Von London über Paris nach New York: Tony Judt hat die Schauplätze seines Lebens in einer einzigartigen Autobiographie festgehalten. Ans Krankenbett gefesselt, reiste er im Kopf noch einmal an Orte in den USA und Europa und verwandelte seine Erlebnisse in kleine Essays. In wenigen Sätzen kann der Historiker die Atmosphäre im London der ersten Nachkriegsjahre beschwören, genau erinnert er sich daran, wie ein Fremdenführer im München der 60er Jahre noch nichts von Dachau wissen wollte. Dieses Buch ist das Vermächtnis eines einzigartigen Intellektuellen, der wie kaum ein anderer unsere jüngste Vergangenheit und Geschichte beobachtet und reflektiert hat.

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„Tony Judt verkörpert den Geist der Kritik: Ohne defätistisch zu sein oder einer nostalgischen Verklärung der Vergangenheit aufzusitzen, benennt er Schwächen in unserer Gesellschaft. Eine Rückbesinnung auf intellektuelle Tugenden dieser Art ist überfällig.“ Maike Albath, Deutschlandradio Kultur, 27.02.12

„Ein heiteres und tröstliches Buch mit autobiografischen Vignetten. Ein persönliches Buch über die europäische Nachkriegszeit.“ Ina Boesch, NZZ am Sonntag, 26.02.12

„Erfahrene Vielfalt prägt die Erinnerungen dieses großen Historikers.“ Wolf Lepenies, Die Welt, 17.03.12

Padget Powell: Roman in Fragen

»Sind Ihre Gefühle rein? Wie stehen Sie zur Kartoffel? Sollte es immer noch Konstantinopel heißen? Haben Kinder Ihrer Ansicht nach einen Geruch? Wenn Sie
jetzt welchen hätten, würden Sie Hundekuchen essen? Sind Sie glücklich? Ist Ihnen klar, warum ich Ihnen all diese Fragen stelle?« Auch ohne zu wissen, warum Padgett Powell all diese Fragen stellt, kann man sich der Faszination, die von dieser irritierend direkten Leseransprache ausgeht, nicht entziehen: Das Gehirn springt an und nimmt mit einer sich von Frage zu Frage steigernden Lust die Herausforderung zum Denken an. Immer bereitwilliger folgt man den sympathischen Idiosynkrasien, den brillant gesetzten Haarnadelkurven, den auch sprachlichen Provokationen des Fragestellers, der hier seine schräge, leicht
melancholische Weltsicht durchblicken lässt, und ist erstaunt, über was man alles, wird man nur gefragt, mit Gewinn nachdenken kann.

Wahrheit und Erkenntnis offenbaren sich eben nicht in den Antworten, sondern in den Fragen.

Padgett Powell wurde 1952 in Gainesville, Florida, geboren, wo er auch heute noch lebt. Bekannt wurde er durch Veröffentlichungen in THE NEW YORKER, ESQUIRE und HARPER’S MAGAZINE. Powell erhielt etliche Auszeichnungen: den Prix de Rome der American Academy of Arts and Letters, den Whiting Writers‘ Award und eine Nominierung für den National Book Award.

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